Sozialversicherung Wie Beschäftigungen zwischen Schule und Studium zu beurteilen sind
Aktuell sind wieder viele Abiturienten auf der Suche nach einem Praktikum für ihren späteren Studiengang oder nach Aushilfsjobs für die Zeit nach den Prüfungen, um sich zum Beispiel eine Urlaubsreise zu finanzieren.
Entscheidend für die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung ist, was der Abiturient oder die Abiturientin nach der Reise vorhat beziehungsweise ob es sich um ein vorgeschriebenes Praktikum handelt.
In der Regel haben befristete Beschäftigungen den Charakter einer sozialversicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigung, wenn sie für längstens drei Monate beziehungsweise 70 Arbeitstage befristet sind. Dies gilt nicht, wenn die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird oder beispielsweise ein Pflichtpraktikum abgeleistet wird.
Vereinzelt sehen Ausbildungs-, Studien- oder Prüfungsordnungen Praktika vor, die vor Beginn des Studiums oder der beruflichen Schulausbildung ausgeübt werden müssen. Sofern in diesem Pflichtpraktikum Arbeitsentgelt erzielt wird, sind die Praktikantinnen und Praktikanten unabhängig von der Höhe des gezahlten Arbeitsentgelts und der Dauer der Beschäftigung als zur Berufsausbildung Beschäftigte in allen Sozialversicherungszweigen versicherungspflichtig. Die Meldung erfolgt in der Regel mit Personengruppe "105" und Beitragsgruppenschlüssel "1-1-1-1". Bei einem Arbeitsentgelt bis 325 Euro (Geringverdienergrenze) ist die Personengruppe "121" zu verwenden.
Wird kein Arbeitsentgelt gezahlt, ist die Praktikantin / der Praktikant aus Arbeitgebersicht nur in der Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig als zur Berufsausbildung Beschäftigte/r zu melden. Die Personengruppe lautet "105" und der Beitragsgruppenschlüssel "0-1-1-0". Der Praktikant bzw. die Praktikantin ist als Selbstzahler in der Kranken- und Pflegeversicherung versicherungspflichtig, sofern er bzw. sie nicht über die Eltern oder den Ehepartner kostenfrei über die Familienversicherung mitversichert werden kann.
Für Abiturientinnnen und Abiturienten, die in der Zeit nach der Schulentlassung freiwillig ein Praktikum gegen Arbeitsentgelt ausüben, gelten die nachfolgend genannten Regelungen zur kurzfristigen und geringfügig entlohnten Beschäftigung. Sofern kein Arbeitsentgelt erzielt wird, liegt auch keine melde- und beitragspflichtige Beschäftigung vor.
Der Mitarbeiterfragebogen gibt dem Arbeitgeber Aufschluss darüber, was der Abiturient oder die Abiturientin nach der Aushilfsbeschäftigung zu tun beabsichtigt. Abiturienten, die bei Beschäftigungsbeginn gegenüber dem Arbeitgeber angeben, zum nächstmöglichen Zeitpunkt ein Studium oder eine Fachschulausbildung aufzunehmen zu wollen, können grundsätzlich kurzfristig beschäftigt werden, wenn die Zeitdauer der Beschäftigung drei Monate beziehungsweise 70 Arbeitstage nicht übersteigt. Dass im Anschluss an die Aushilfsbeschäftigung eventuell tatsächlich kein Studium aufgenommen wird, ist irrelevant. Der Arbeitgeber ist nach Beschäftigungsende nicht verpflichtet, dies nachträglich zu kontrollieren. Kurzfristige Beschäftigungen sind mit Personengruppe "110" und dem Beitragsgruppenschlüssel "0-0-0-0" bei der Minijob-Zentrale zu melden.
Achtung:
Wird ein Arbeitsentgelt von mehr als 538 Euro monatlich gezahlt, kann die kurzfristige Beschäftigung wegen Berufsmäßigkeit ausgeschlossen sein. Für die Bestimmung der Berufsmäßigkeit ist entscheidend, ob die Aushilfe zum Personenkreis der Erwerbstätigen zählt. Abiturienten mit Studienabsicht sind in einer Aushilfsbeschäftigung aufgrund ihres Status nicht berufsmäßig beschäftigt. Allerdings kann sich Berufsmäßigkeit auch aufgrund des Erwerbsverhaltens ergeben. Wenn der Abiturient oder die Abiturientin aufgrund mehrerer im laufenden Kalenderjahr ausgeübter Beschäftigungen mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von mehr als 538 Euro die Zeitdauer von drei Monaten beziehungsweise 70 Arbeitstagen überschreitet, liegt Berufsmäßigkeit vor.
Abiturienten, die im Mitarbeiterfragebogen angeben, nach dem Aushilfsjob eine Berufsausbildung oder eine Beschäftigung beginnen zu wollen, gehören nach der Auslegung zum Personenkreis der Erwerbstätigen und sind demzufolge berufsmäßig beschäftigt. Folgende Anschlussaktivitäten sind zum Beispiel als Berufsmäßigkeit begründende Erwerbstätigkeiten zu werten:
- Berufsausbildung/duales Studium,
- freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr,
- Bundesfreiwilligendienst,
- vergleichbare Freiwilligendienste (zum Beispiel entwicklungspolitischer Freiwilligendienst),
- freiwilliger Wehrdienst,
- Aufnahme einer anderweitigen Beschäftigung mit einem Arbeitsentgelt von mehr als 520 Euro.
Bei einem Arbeitsentgelt von mehr als 538 Euro monatlich ist die Aushilfe im Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit der Personengruppe "101" und dem Beitragsgruppenschlüssel "1-1-1-1" bei der zuständigen Krankenkasse zu melden.
Abiturienten, die die Zeit nach der Schulentlassung eine Beschäftigung gegen ein monatliches Arbeitsentgelt bis 538 Euro aufnehmen, gelten generell nicht als berufsmäßig beschäftigt. Abhängig von der Dauer der Beschäftigung können sowohl die Voraussetzungen für eine beitragspflichtige geringfügig entlohnte Beschäftigung (Personengruppe "109" und Beitragsgruppenschlüssel "0/6-1/5-0-0") als auch für eine beitragsfreie kurzfristige Beschäftigung vorliegen. In diesem Fall kann der Arbeitgeber wählen und sich bei der Meldung für die für ihn kostengünstigere kurzfristige Beschäftigung entscheiden.
Nicht selten geben Abiturienten bei Aufnahme der Aushilfsbeschäftigung an, sich im Anschluss ins Ausland zu begeben. Diese Angabe alleine ist noch kein Indiz für die Klärung der Berufsmäßigkeit. Wichtig ist vielmehr, aus welchen Gründen der Auslandsaufenthalt durchgeführt wird. Steht eine Beschäftigung im Vordergrund, ist Berufsmäßigkeit im Status der Person der Aushilfe anzunehmen.
Die kurzfristige Beschäftigung ist beitragsfrei in der Sozialversicherung, aber steuerpflichtig. Die geringfügig entlohnte Beschäftigung hingegen ist beitrags- und steuerpflichtig. Die Steuer kann neben der klassischen Erhebung nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (Steuerklasse) unter bestimmten Voraussetzungen auch pauschal erhoben werden.
Während die Pauschalversteuerung wegen des kostengünstigen Steuersatzes von 2 Prozent (inklusive Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) bei der geringfügig entlohnten Beschäftigung fast ausnahmslos vom Arbeitgeber gewählt wird, kommt bei kurzfristigen Beschäftigungen aufgrund des vergleichsweise hohen Steuersatzes von 25 Prozent (zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) überwiegend die Individualversteuerung zum Tragen. Sofern der Abiturient oder die Abiturientin aber mit Steuern belastet wird, kann er oder sie sich diese in der Regel wegen Nichtüberschreitung des Grundfreibetrages von 11.604 Euro nach Ablauf des Kalenderjahres über die Steuererklärung erstatten lassen.
Aushilfen sind häufig über einen Elternteil oder den Ehepartner in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert. Für sie führt ein regelmäßiges Gesamteinkommen von mehr als 505 Euro grundsätzlich zum Wegfall des Anspruchs in der Familienversicherung. Einkünfte aus einer kurzfristigen Beschäftigung sind in der Regel höher, aber unschädlich für die Familienversicherung, weil sie in diesem Zusammenhang generell als unregelmäßig bewertet werden. Selbst bei einer zulässigen Überschreitung der Entgeltgrenze von 538 Euro (gelegentliches nicht vorhersehbares Überschreiten) im Rahmen der geringfügig entlohnten Beschäftigung bleibt die Familienversicherung bestehen.
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